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Ich habe mich immer irgendwie mit der Geschichte von Lehman Brothers verbunden gefühlt – wahrscheinlich, weil ich am selben Tag geboren wurde, an dem sie Insolvenz anmeldeten: am 15. September 2008. Für diesen Blog wollte ich also zurückblicken und genau verstehen, was schiefgelaufen ist – und warum es so wichtig war.
Was sind Subprime-Kredite?
Fangen wir mit dem Begriff an. Ein Subprime-Kredit ist ein Kredit, der an eine Person mit schlechter Kreditwürdigkeit vergeben wird – also jemanden, der möglicherweise nicht pünktlich oder überhaupt nicht zurückzahlen kann. Solche Kreditnehmer haben oft eine niedrige Bonität, unregelmäßiges Einkommen und in der Vergangenheit Zahlungen versäumt.
Weil sie risikoreicher sind, haben Subprime-Kredite höhere Zinssätze. Die Banken verlangen diese Zinsen, um das Ausfallrisiko auszugleichen. Anfang der 2000er wurden solche Kredite erschreckend häufig vergeben – besonders in den USA im Immobilienmarkt. Banken gaben Hauskredite an Menschen mit schwacher finanzieller Lage, ohne Nachweise oder Rückzahlungsfähigkeit.
Der Boom vor dem Knall
Warum waren die Banken so bereit, Subprime-Kredite zu vergeben? Während des US-Immobilienbooms von 2002 bis 2006 glaubte man einfach: „Immobilienpreise steigen immer.“ Also selbst wenn jemand nicht zurückzahlen konnte, konnte die Bank das Haus pfänden und oft mit Gewinn weiterverkaufen.
Aber die Strategie ging noch weiter. Die Banken warteten nicht nur auf die monatlichen Rückzahlungen. Stattdessen bündelten sie Tausende Hauskredite – auch die riskanten Subprime-Kredite – und verkauften sie als Anlageprodukt, das man hypothekenbesichertes Wertpapier (MBS) nennt. So bekamen die Banken schnell ihr Geld zurück. Das Risiko? Das hatte jetzt der Käufer des MBS, der regelmäßig Geld bekam – solange die Hausbesitzer weiter zahlten.
Lehmans Wette auf Immobilien
Lehman Brothers sah die Chance – nicht indem sie selbst Kredite vergaben, sondern indem sie große Pakete von MBS kauften, in der Hoffnung, dass die Rückzahlungen weiter flossen. Bis 2006 hatte Lehman Brothers Hypotheken im Wert von 146 Milliarden Dollar verbrieft. Ein großer Teil davon bestand aus Subprime-Krediten. Die Firma war stark im Immobilienmarkt engagiert und erzielte Rekordgewinne. 2007 erreichte Lehmans Aktie ein Allzeithoch, die Marktkapitalisierung lag bei fast 60 Milliarden Dollar.
Auf den ersten Blick sah alles gut aus. Aber darunter lagen Millionen von Krediten an Menschen, die sich die Rückzahlung nicht leisten konnten – und eine Firma, die ihr Schicksal an diese Rückzahlungen gebunden hatte.
Was passiert, wenn man auf das Unbezahlbare setzt?
Der Subprime-Markt begann Anfang 2007 zu bröckeln, als Kreditnehmer begannen, ihre Hypotheken nicht mehr zu bedienen. Die Immobilienpreise stiegen nicht mehr – sie fielen sogar. Das hatte Folgen: Die MBS verloren massiv an Wert, die Käufer (wie Lehman) erlitten Verluste, und Panik machte sich im Finanzsystem breit.
Lehman versuchte zu reagieren. Sie schlossen ihre Tochter BNC Mortgage, bauten Stellen ab und machten ihre Alt-A-Kreditbüros dicht (Alt-A-Kredite waren etwas besser als Subprime, aber immer noch riskant). Doch es war zu spät. Lehman war bereits mit schlechten Vermögenswerten überladen.
Wie Hebelwirkung alles verschlimmerte
Ein weiterer wichtiger Punkt: Hebelwirkung (Leverage). Das heißt, man investiert mit geliehenem Geld – in der Hoffnung, dass die Gewinne höher sind als die Zinsen, die man zahlen muss.
Lehman investierte nicht nur eigenes Geld, sondern lieh sich riesige Summen, um größere Wetten einzugehen. 2007 betrug ihr Hebelverhältnis 31:1 – das heißt, für jeden Dollar Eigenkapital liehen sie sich 31 Dollar dazu. Das Risiko? Wenn solche Anlagen an Wert verlieren, häufen sich die Verluste sehr schnell – und plötzlich kann man seine Schulden nicht mehr zurückzahlen. Lehman hielt keine sicheren Anlagen. Sie waren tief in Subprime-Kredite investiert – sie setzten also darauf, dass gerade die riskantesten Kreditnehmer ihre Schulden bezahlen würden.
Mitte 2008, als mehr Menschen ausfielen und die Immobilienpreise fielen, wurde Lehmans MBS-Bestand wertlos. Die Verluste stiegen, das Vertrauen sank.
Eine Vertrauenskrise
Mit dem Absturz des Immobilienmarkts fiel auch Lehmans Aktie. Investoren zogen sich zurück.
Das geschah in nur wenigen Monaten:
- Juni 2008: Lehman meldet einen Verlust von 2,8 Milliarden Dollar
- 8. September 2008: Gerüchte über eine drohende Pleite verbreiten sich weltweit
- 12. September 2008: Barclays und Bank of America steigen aus den Rettungsgesprächen aus
- 15. September 2008: Lehman Brothers meldet Insolvenz an
Es war die größte Pleite in der Geschichte der USA – ein Zusammenbruch von 600 Milliarden Dollar.
Warum wurde Lehman nicht gerettet?
Andere Banken wie Bear Stearns oder Merrill Lynch wurden gerettet oder übernommen. Warum also nicht Lehman?
Es gibt verschiedene Theorien: Die US-Regierung wollte nicht jede Bank retten, niemand wollte Lehmans faule Vermögenswerte übernehmen, und das Ausmaß der Subprime-Verluste war einfach zu groß. Was auch immer der Grund war – der Zusammenbruch von Lehman löste weltweite Schockwellen aus: Märkte stürzten ab, Kredite froren ein, und die schlimmste Finanzkrise seit 1929 begann.
Die Folgen
Nach dem Zusammenbruch verlor der weltweite Markt Billionen an Wert. Große Banken mussten schnell gerettet werden. Die US-Regierung verabschiedete ein Rettungspaket von 700 Milliarden Dollar. Es folgten langfristige Reformen: neue Regeln für Banken, weniger Hebelwirkung, strengere Berichtspflichten. Aber der Schaden war bereits angerichtet.
Abschließende Gedanken
Lehman Brothers ist nicht nur wegen der Subprime-Kredite gefallen. Sondern weil sie die Risiken ignoriert, auf schlechte Wetten gesetzt und sich zu sehr verschuldet haben. Subprime-Kredite waren nicht nur Finanzprodukte – sie waren ein Symbol für übermäßiges Selbstvertrauen: für ein System, das glaubte, Immobilienpreise würden immer steigen, und Kreditnehmer würden immer zurückzahlen. Doch das taten sie nicht. Und das ganze System brach zusammen.
Die Geschichte von Lehman ist nicht nur ein Unternehmensfehler – sie ist eine Warnung. Sie zeigt, dass in der Finanzwelt alles, was mit viel Hebel steigt, auch sehr, sehr schnell fallen kann.